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...be ready to surprise yourself! 

  • AutorenbildFabian Kremser

Carbon statt Kondition?

Wenn sich ein Laufschuh an unseren Füssen gut anfühlt, wird er auch gut sein. Oder? Diese Frage haben wir uns schon mehrfach gestellt und sind zu dem Schluss gekommen: ja, aber eigentlich nein.

Zunächst ein wenig Kontext:


In unserer Arbeit als Coaches ist die Analyse von den Wettkämpfen unserer Athletinnen und Athleten ein fester Bestandteil unseres Alltags. Eines der Themen, das wir am häufigsten auf dem Tisch haben, ist die Frage, warum man bei einem Lauf (dazu gehört auch das Laufen im Triathlon) das gewollte und zu Beginn angeschlagene Tempo nicht durchziehen konnte.


Wer selbst schon einmal in dieser Situation war, dass auf einmal die Energie fehlte, weiss, wovon wir sprechen. Es sind frustrierende Momente, die einen alles in Frage stellen lassen, denn nicht selten stecken wir viel Zeit und Energie in die Vorbereitung eines Rennens. Haben wir falsch trainiert? Haben wir etwas übersehen? Oder war es am Ende einfach ein schlechter Tag?


Das einzige, was man hier pauschal sagen kann ist: es gibt ganz selten EINEN Grund, warum etwas nicht geklappt hat. Auch ist es so, dass bei länger werdenden Strecken mit der Zeit auch immer mehr schief gehen kann. Unser Ansatz ist daher ein relativ einfacher: Plan for the best, prepare for the worst. Wir bereiten uns so gut wir können auf den optimalen Rennverlauf vor, beziehen in diese Vorbereitung aber immer auch jedes Worst Case-Szenario mit ein, damit es uns nicht auf kaltem Fuss erwischt.


Einer der Faktoren, die sehr gerne einmal ausser Acht gelassen werden, sind die Laufschuhe. Wie kann das sein?


Seit einiger Zeit sind sogenannte «Carbon»-Laufschuhe aus dem Renngeschehen nicht mehr wegzudenken. Von 5km-Läufen bis Ironman-Marathons sieht man sie überall. Und warum auch nicht? Die Besten der Besten laufen sie und einer der wunderbaren Aspekte des Ausdauersports ist, dass wir uns genau das gleiche Material zulegen können, wie die Elite es nutzt. Zeit, ein wenig provokant aufzutreten. Hier passt ein Zitat aus dem Film «Jurassic Park»: «Ihre Wissenschaftler waren so mit der Frage beschäftigt, ob sie es schaffen könnten, dass sie nicht innehielten, um zu fragen, ob sie es tun sollten».


In unser Thema übernommen könnten wir es so formulieren: viele Athletinnen und Athleten sind so auf das Equipment konzentriert, dass sie sich nicht fragen, ob der Einsatz auch wirklich Sinn macht…


Hier kommt die Diagnostik ins Spiel. Was wir in unserem Labor nämlich wieder und wieder sehen ist, dass die Leistung, die wir letzten Endes in der Lage sind zu erbringen, nicht nur vom Training abhängt und davon, wie sehr uns ein Laufschuh nach vorne federt sondern vielmehr von den Auswirkungen, die diese Kombination auf unser ganzes System haben kann.


Dort sehen wir sehr schnell, dass ein Schuh eben weitaus mehr ist als etwas, das wir an unsere Füsse schnallen, um den Aufschlag auf dem Asphalt zu dämpfen. Vielmehr besteht ein direkter Zusammenhang zwischen den Schuhen, die wir tragen und der Art, wie unser Körper in der Lage ist, zu arbeiten. Konkret heisst das: nur, weil sich ein Schuh beim ersten Eindruck gut anfühlt, heisst das nicht, dass er uns auch wirklich über die gewünschte Strecke bringt.


Tatsächlich hängen sehr viele, verschiedene Aspekte des Laufens mit den Schuhen zusammen. Da sind einmal die rein mechanischen: wie stabil stehen wir in den Schuhen, sprich, welche Auswirkung haben sie auf unsere Haltung, unsere Biomechanik? (Was sofort die Frage aufwirft: wie gut trainiert ist diese? Wie stabil und funktionell ist unser Körper als Ganzes?) Wie stabil können wir unser Becken halten, und damit: wie stark belastet unsere Schuhwahl womöglich unseren Rücken?

Dann sind da die etwas tiefer liegenden, metabolischen Faktoren: welchen Einfluss hat ein Schuh auf unsere Atmung, unsere Sauerstoffaufnahme, unsere Herzfrequenz? Welche Auswirkungen zeigen sich beim Stoffwechsel, der Fettverbrennung, dem Bedarf an Kohlenhydraten?


Bei all diesen Punkten gibt es teilweise fast schon drastisch zu nennende Unterschiede, die sich allerdings erst zeigen, wenn man einen Schuh nicht nur kurz anhat, sondern eine Zeitlang mit ihm läuft und dabei die verschiedenen Aspekte misst. Genau das tun wir bei unseren Pacing- und Ökonomietests, die für uns einen wichtigen Bestandteil der Vorbereitung ausmachen.


Wie funktioniert so etwas?


Für die mechanischen Daten verwenden wir unser 4D-Messsystem, mit dem wir an drei Punkten die Bewegungen von Füssen und Kreuz messen. Im Vergleich sieht dies z.B. wie folgt aus:

Die vier Grafiken zeigen auf, wie sich die Bodenkontaktzeit vier verschiedener Schuhe in punktueller Belastung, Tempo und Richtung unterscheidet. Bereits hier zeigen sich sehr deutliche Unterschiede und es scheint so auszusehen, als wäre die Balance bei Schuh Nr. 1 die ausgeglichenste. Das würde heissen, dass hier die geringste Belastung für die Gelenke stattfindet. Der nächste Blick gilt der Bewegung des Beckens:

Auch hier wird schnell deutlich, dass Schuh Nr. 1 dem Becken die grösste Stabilität ermöglicht. Rein nach der biomechanischen Analyse würde alles darauf hinweisen, dass Schuh Nr. 1 die beste Wahl für einen schnellen Lauf wäre. Doch wie sieht es beim Stoffwechsel aus?


Hier arbeiten wir mit der Spiroergometrie und werten gleich mehrere Parameter aus, um sie miteinander zu vergleichen. Am Ende fassen wir sie abermals in einer grafischen Übersicht zusammen und stellen dabei unter anderem folgende Fragen:


Wie wirken sich die einzelnen Schuhe auf die Laufökonomie aus? Wie auf die Sauerstoffaufnahme, wie auf den Puls-Sauerstoff (die Menge an Sauerstoff, die pro Herzschlag aufgenommen werden kann)? Wie verhalten sich Fett- und Kohlenhydratverbrennung zueinander, in welchen Mengen geschehen sie? Gibt es Unterschiede in der Atemfrequenz?


Kombiniert mit weiteren Daten, die uns hochspezifische Eckpunkte liefern, können wir daraus sehr genau ermitteln, ob sich die auf der technischen Ebene gewonnenen Erkenntnisse bestätigen. Zuletzt legen wir die verschiedenen Parameter nebeneinander, was es uns ermöglicht, eine sehr genaue Empfehlung abzugeben (im Falle unseres Beispiels zeigte auch die metabolische Analyse so klar auf Schuh Nr. 1, dass kein Zweifel mehr offenblieb).


Natürlich gilt es zunächst sicherzustellen, dass der erste Schuh nicht deshalb die effizientesten Daten ergab, weil er der Erste einer Testreihe war. Dem wirken wir entgegen, indem wir entweder ein ausgiebiges Warm up im entsprechenden, später getesteten Tempo auf dem Laufband durchführen oder aber, im Falle eines Triathlonspezifischen Tests, die Probandinnen und Probanden zunächst auf dem Fahrrad fahren lassen und sie anschliessend unter so realen Bedingungen wie möglich testen.


Die Resultate unserer bisherigen Tests mögen einige überraschen: in den seltensten Fällen waren die High Performance-Carbonschuhe am Ende die, welche den Körper am effizientesten arbeiten liessen. Vielmehr zeigte sich sehr oft, dass nach nur schon kurzer Zeit der erste Wow-Effekt der grösseren Federkraft zu einer überdimensionalen Belastung für Stabilität und Haltung wurden, was nur wenig später zu einem Kollaps der Ökonomie und dann einer überproportionalen Steigerung des Energiebedarfes führte. «Carbon statt Kondition» - das scheint bei den Laufschuhen nur sehr bedingt zu stimmen.


Es bleibt die Frage, ob man so eine neue Bestzeit garantieren kann.


Hierauf pauschal mit «Ja» zu antworten, wäre nicht seriös. Wir können die verschiedenen Aspekte, die letzten Endes zu einem guten Laufresultat führen, messen, bewerten und anschliessend unsere Schlüsse daraus ziehen. Was wir jedoch zu keinem Zeitpunkt können, ist vorauszusagen, was am Wettkampftag am Ende wirklich auf der Strecke passiert.


Darum ist aus unserer Sicht die Pacing- und Ökonomieanalyse ein wertvoller Bestandteil der Strategie, das Beste zu planen, sich aber gleichzeitig auf den Worst Case vorzubereiten.


Falls ihr euch also nicht sicher seid, ob der Schuh eurer Wahl auch der Richtige ist, helfen wir euch gerne, ihn genauer zu untersuchen.


Herzlich,

die Tricademy - School of Movement GmbH

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